Mitarbeiter des Versanddienstleisters Amazon, der in Niedersachsen ein Logistikzentrum zur Auslieferung seiner Waren betreibt, werden in bestimmten Arbeitsbereichen mit sogenannte Handscannern ausgestattet, mit deren Hilfe bestimmte Arbeitsschritte minutengenau und aktuell erfasst und ausgewertet werden. Dies diene laut Amazon in erster Linie der Steuerung logistischer Prozesse. Die erhobenen Daten würden daneben auch als Bewertungsgrundlage für Feedbackgespräche und Personalentscheidungen.
Diese Vorgehensweise wurde Amazon im Oktober 2022 von niedersächsische Datenschutzbeauftragten nach Durchführung eines Kontrollverfahrens untersagt. Nach Auffassung der niedersächsischen Datenschutzbeauftragten verstoße die ununterbrochene Erhebung von Leistungsdaten gegen das geltende Datenschutzrecht und stelle einen rechtswidrigen Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar.
Gegen diese Unterlassungsverfügung klagte Amazon vor dem VG Hannover mit der Begründung, ein berechtigtes Interesse an der Datenerhebung und -verarbeitung zu haben. Das Gericht gab dem Versanddienstleister recht und sieht in dem beschriebenen Vorgehen keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Der durch die Überwachung der Mitarbeiter bedingte Eingriff in deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung stehe nicht außer Verhältnis zu den schützenswerten Interessen des Versanddienstleisters.
So seien die erhobenen individuellen Leistungswerte zur Steuerung der Logistikprozesse notwendig, um auf Schwankungen in einzelnen Prozesspfaden zu reagieren und Mitarbeiter flexibel einplanen zu können. Auch hinsichtlich der Nutzung der Daten als Bewertungsgrundlage für Feedbackgespräche und Personalentscheidungen hat das Gericht keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Die Datenerhebung erfolge weder heimlich und zudem finde „nur“ eine Leistungskontrolle, jedoch keine Verhaltenskontrolle statt.
Das Gericht hat die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg zugelassen. Ob die niedersächsische Datenschutzbeauftragte in Berufung gehen wird, ließ sie in ihrer Pressemitteilung vom 10.02.2023 offen, stellte jedoch klar, dass sie nach wie vor der Auffassung ist, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überwiegt und der durch die minutengenaue Leistungsdatenerhebung sowie deren weitere Verarbeitung entstehende Anpassungs- und Leistungsdruck höher zu gewichten sei als das wirtschaftliche Interesse des Unternehmens.
Während die niedersächsische Datenschutzbeauftragte und das VG im konkreten Fall unterschiedliche Auffassungen vertreten, sind sie sich in Ihrer Forderung nach einem Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz einig. Schon im April letzten Jahres konstatierte die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) in einer Entschließung „Die Zeit für ein Beschäftigtendatenschutzgesetz ist „Jetzt“!“
Es bleibt abzuwarten, ob und wann der Gesetzgeber in dieser Sache tätig wird.